Ich spende dem „Deutschen Roten Kreuz“ erst, wenn es die Kooperation mit dem Militär beendet!
Bleibt zivil und neutral!
Am 22. Mai 2016 haben wir begonnen, mit der Aktionswebsite http://www.deutsches-rotes-kreuz.net auf die „Zivil-Militärische-Zusammenarbeit“ zwischen dem „Deutschen Roten Kreuz“ (DRK) und der deutschen Armee aufmerksam zu machen. Nichtmals zwei Wochen später – am 1. Juni 2016 – haben wir die Seite auf Betreiben des DRK wieder vom Netz genommen um einem Rechtsstreit zu entgehen. Dies hier ist die Nachfolgeseite.
Insbesondere die von uns erstellten und an eine aktuelle Kampagne des DRK angelehnten Grafiken (Deutscher Roter Soldat, etc.) haben heftige Reaktionen hervorgerufen – auf unserer Facebook-Seite, aber auch in Diskussionsforen: „Die DFG-VK hat eine Kampagne gestartet, die über 300.000 überwiegend ehrenamtlichen Helfern Gewehre, Granaten und Kriegsgerät andichtet und sie mit kämpfenden Soldaten gleich setzt. Ungeachtet der inhaltlichen Kritik ist das ein absolut inakzeptables Verhalten“, hieß es da zum Beispiel. Diesem und ähnlichen Vorwürfen möchten wir deutlich wiedersprechen: Schon auf unserer alten Aktionsseite hieß es ganz am Anfang, dass das DRK zu Recht ein hohes Ansehen genießt. Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer der Organisation leisten eine unverzichtbare und beachtliche Arbeit. Unsere Kampagne richtet sich nicht gegen das DRK, sondern wir treten dafür ein, dass die Organisation ihre Prinzipien wieder achtet. Wir wünschen uns eine inhaltliche Diskussion und nutzen diese neue Aktionswebsite, um unsere Position nochmals genauer aufzuzeigen und unsere Forderung nach einem Ende der Zusammenarbeit zwischen DRK und Bundeswehr zu unterstreichen.
Christian Reuter und Markus Grübel
DRK-Generalsekretär Christian Reuter und Markus Grübel, parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, im November 2015 bei der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung. (Quelle: Bundeswehr/Grauwinkel)
„Humanitäre“-Einsätze
Berührungspunkte zwischen humanitären Hilfsorganisationen wie dem DRK und dem Militär hat es immer schon gegeben. Seit die Politik die von ihnen beschlossenen Militärinterventionen ab den 1990er-Jahren öffentlich als „humanitäre Missionen“ deklariert, um die Zustimmung der eigenen Bevölkerung für die Einsätze zu gewinnen, hat sich jedoch ein Spannungsfeld zwischen den Hilfsorganisationen und dem Militär entwickelt. Mit dem Somalia-Einsatz 1992 fing es an und mit dem Krieg auf dem Balkan und dem „Krieg gegen den Terror“ in Afghanistan und weiteren Staaten hat sich der Konflikt noch deutlich verschärft: Dadurch, dass das Militär selber offiziell als Helfer und nicht (nur) als kämpfende Partei agiert und dazu noch zivile Hilfsorganisationen vereinnahmt, geraten die zivilen Helfer immer mehr ins Visier anderer Parteien einer Konfliktregion.
Dabei geht es dem Militär häufig um „Nation-„ bzw. „State-Building“, also den Aufbau der eigenen Seite wohlgesonnener staatlicher Strukturen – Politik und Militär verfolgen mit ihrer „humanitären Hilfe“ politische Interessen und Ziele. Der Aufbau einer öffentlichen Ordnung in einem Gebiet kann, muss aber nicht positive humanitäre Wirkungen für die Bevölkerung haben. Die humanitären Wirkungen sind hier nicht das Ziel, allenfalls ein Effekt nebenbei. Demgegenüber steht die wirklich selbstlose humanitäre Hilfe ziviler Organisationen, die alleine auf die vitalen Interessen der Bevölkerung gerichtet ist.
Allein schon aufgrund einer für Außenstehende und Konfliktparteien unscharfen Trennung haben die Hilfsorganisationen Schwierigkeiten, ihren Anspruch auf „Unabhängigkeit“ und „Neutralität“ zu wahren. Über die dramatischen Folgen: Entführungen, Ermordungen und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sahen sich in Einzelfällen sogar genötigt, ihre Zeichen auf den Fahrzeugen und auf ihrer Kleidung nicht mehr zu zeigen.

Zivil-Militärische-Zusammenarbeit
Die Vereinnahmung ziviler humanitärer Hilfe erfolgt aber nicht nur verbal, sondern auch aktiv mit dem Konzept der „Zivil-Militärischen-Zusammenarbeit“. Das Militär stellt sich diese Zusammenarbeit so vor, dass bei einer Auslandsmission alle Akteure Teil einer hierarchisch integrierten Mission sind, auch wenn sich das bei gemeinsamen Übungen in der Praxis noch nicht als durchführbar erwiesen hat. Im Inland stellt man sich die „Zivil-Militärischen-Zusammenarbeit“ seitens des Militärs unter anderem als enge Kooperation im Personalwesen vor. So erklärt Dr. Johannes Backus vom Führungsstab des Sanitätsdienstes im Bundesministerium der Verteidigung, in der DRK-Zeitschrift „Humanitäres Völkerrecht“ (Ausgabe 1/2012, S. 11):

„Wir haben ein und denselben Personalkörper, an dem wir ein Interesse haben, und im Zeitalter der schwierigen demographischen Entwicklung in unserem Land müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir dieses Problem gelöst bekommen. Sie haben einen guten Zugang zu Jugendlichen, die bei ihnen ehrenamtlich in den Landesverbänden des DRK mitarbeiten; wenn wir gemeinsame Patenschaften aufbauen, lernen sie automatisch das System Bundeswehr kennen, nicht nur über die Schule oder aus Erzählungen, sondern auch mit tagtäglichem Erlebnisbezug. Die Bundeswehr kann diesen Personen später, wenn sie 18 Jahre und älter sind, eine fundierte Ausbildung bieten. Diese kann das Rote Kreuz nach einer bestimmten Zeit wiederum nutzen, wenn bei uns ihre Zeit als Zeitsoldaten zu Ende ist. Danach haben wir aber immer noch ein enormes Interesse an ihnen als Reservisten.“

Wenn man die genannten Entwicklungen fortdenkt, endet man bei vom Militär für Interventionskriege instrumentalisierten zivilen Organisationen. Dies kann nicht im Sinne des DRK sowie seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer sein.
Und selbst wenn es nicht gleich um Kooperationen im Zusammenhang mit einem Krieg geht, so sollte auch im DRK eine gewisse Skepsis gegenüber dem Militär herrschen: Die Hilfsleistungen der Bundeswehr bei der Eindämmung von „Ebola“ in Afrika oder im Inland bei Naturkatastrophen müssen dahingehend kritisiert werden, als dass sie keine originären Aufgaben von Militär sind. Vielmehr kommen sie heute nur zustande weil die Bundeswehr extrem über- und zivile Hilfsorganisationen extrem unterfinanziert sind. Nur dies führt zu dem Missstand, dass die Bundeswehr Aufgaben – auch im Inland – wahrnimmt, für die Soldatinnen und Soldaten zwar teilweise besser ausgestattet, aber viel schlechter ausgebildet sind als die Helferinnen und Helfer ziviler Organisationen.

Vorbereitungen für das Manöver „Joint Cooperation 2016“
Vorbereitungen für das Manöver „Joint Cooperation 2016“ in Nienburg/Weser, an dem neben dem „Deutschen Roten Kreuz“ Soldaten aus zehn Ländern – darunter auch welche der US-Army – teilnehmen werden. (Quelle: ZentrZMZBw/Weiser)
Debatte im DRK
2003 bekannte sich das DRK explizit zur „Mitwirkung“ an Militäreinsätzen. 2008 definierte dann ein Bundesgesetz die „Unterstützung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr“ als zentrale „Aufgabe“ der Hilfsorganisation. Seit 2009 unterhält das DRK einen eigenen „Beauftragten für zivil-militärische Zusammenarbeit“. Seit 2014 finden gemeinsame „Joint Cooperation“-Manöver von DRK, Bundeswehr und weiteren Armeen statt. Und am 24. November 2015 unterzeichneten der DRK-Generalsekretär Christian Reuter und Markus Grübel, der parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, die erste zentrale Kooperationsvereinbarung – es soll der Zusammenarbeit ein „offizielles Fundament“ geben.
Die zunehmend enger werdende „Zivil-Militärische-Zusammenarbeit“ steht dabei im Konflikt mit den Rot Kreuz-Grundsätzen der „Unparteilichkeit“, „Neutralität“ und „Unabhängigkeit“ – diese sollen gewährleisten, dass die Helferinnen und Helfer ungestört ihre humanitäre Arbeit leisten können und nicht zum Ziel einer Konfliktpartei werden. Durch die einseitige Zusammenarbeit mit der Bundeswehr geht dem DRK dies verloren.
Zwar erweitert man das Konzept der „Zivil-Militärischen-Zusammenarbeit“ neuerdings zum Konzept der „Vernetzten Sicherheit“ und beteuert, dieses Konzept bezwecke nicht die Unterordnung des Zivilen unter das Militärische, sondern die Ausrichtung ziviler, polizeilicher und militärischer Ressourcen auf das gemeinsame Ziel Sicherheit. Der Sicherheitsbegriff und die abgeleiteten Ziele bleiben aber unbestimmt. Wenn der Sicherheitsbegriff zum Beispiel bedeuten soll, dass Deutschland durch militärische Interventionen seine eigene Sicherheit erhöhen will, und wenn eine Hilfsorganisation wie das „Deutsche Rote Kreuz“ sich an einer solchen Militärmission beteiligt, dann verstößt sie gegen die Neutralität im Sinne von Unabhängigkeit. Diese besagt, dass internationale Hilfsorganisationen, die für gewöhnlich aus einem nicht am Konflikt beteiligten Land stammen, sich gegenüber den Eigeninteressen ihres Staates neutral verhalten sollen und sich nicht instrumentalisieren lassen sollen. Wenn die Neutralität in diesem Sinne verloren geht, dann ist auch die Neutralität in anderen Hinsichten gefährdet: die Unparteilichkeit, die Unterschiedslosigkeit (Hilfe alleine nach dem Kriterium der Bedürftigkeit) und die Schutzwürdigkeit (Helfer und die versorgten Opfer gelten als Nicht-Kombattanten).
Dieses Problem ist auch beim DRK diskutiert worden. So schreibt Dr. Heike Spieker, Teamleiterin „Internationales Recht/Internationale Gremien“ im DRK-Generalsekretariat in Berlin 2012 in „Humanitäres Völkerrecht“ (Ausgabe 1/2012, S. 6):

„Es ist unbestritten, dass Streitkräfte in einer instabilen Situation einen Beitrag leisten können zur Herstellung der öffentlichen Sicherheit und zum Schutz sowohl der Zivilbevölkerung als auch des Personals der Hilfsgesellschaften.
Dabei ist es nicht unwahrscheinlich, dass jedenfalls bei außenstehenden Betrachtern in einer konkreten Situation der Eindruck einer Vermischung von humanitärer Hilfeleistung und politischen Zielen entstehen kann. Daraus kann in dem betroffenen Land die Wahrnehmung entstehen, dass humanitäre Hilfe den militärischen Zielen einer Konfliktpartei untergeordnet und eben nicht mehr neutral, unparteilich und allein vom Maß der Not der Hilfebedürftigen bestimmt geleistet wird. Wenn die Gefahr gegeben ist, dass durch die Kooperation von Rotem Kreuz und Streitkräften bei den Hilfeempfängern oder in der Öffentlichkeit der Eindruck der Parteilichkeit oder des Verlustes der Neutralität erweckt wird, gefährden wir die Grundlagen unserer Arbeit. Dann – aber auch nur dann – müssen wir die Wahrung unseres Mandats in den Vordergrund stellen und können nicht zusammenarbeiten.“


Wie soll man aber bei einer militärischen Intervention jemals dem Eindruck einer Vermischung von humanitärer Hilfeleistung und politischen Zielen entgehen? Zumal bei der schon gezeigten institutionalisierten Zusammenarbeit, die es zwischen DRK und Bundeswehr mittlerweile gibt?

Klare Trennung
Das „Deutsche Rote Kreuz“ hat eine rechtliche Sonderstellung in Deutschland, da es das „Genfer Abkommen“ umsetzen soll. Dazu gibt es mit dem DRK-Gesetz auch eine gesetzliche Vereinbarung. Somit ist das DRK keine „Nichtregierungsorganisation“ – aber in ihrem Handeln und vor allem ihren Aufgaben unterscheidet sie wenig von anderen humanitären Hilfsorganisationen. Im Gegensatz zum DRK stehen aber etwa die im „Verbande Entwicklungspolitik Deutscher Nichtregierungsorganisationen“ (VENRO) organisierten Organisationen jeder Zusammenarbeit mit dem Militär sehr kritisch gegenüber, wie sie 2003 in einem Positionspapier schrieben:

„In dem Moment, in dem staatliche Politik die Unabhängigkeit der humanitären Hilfsorganisationen infrage stellt oder sie gemäß ihrer politischen Interessen einschränkt oder beeinflusst und damit instrumentalisiert, verliert die humanitäre Hilfe ihre Grundvoraussetzung: die Unparteilichkeit.
Da das Militär immer einen politischen Auftrag hat, können Streitkräfte nicht neutral, unparteilich und unabhängig handeln und werden von den Konfliktparteien auch nicht als solche wahrgenommen.“


Dies trifft auch auf das DRK zu. Schon heute sind die Helferinnen und Helfer der Organisation durch die einseitige Zusammenarbeit mit der Bundeswehr gefährdet – es gibt heute keine Trennlinie zwischen beiden Organisationen. Ganz im Gegenteil treibt die DRK-Führung die Verwischung von „Zivilem“ und „Militärischem“ voran – unter Missachtung der eigenen Grundsätze.
Vertrag zur zukünftigen Kooperation
Generaloberstabsarzt a. D. Dr. Karl Wilhelm Demmer (links), Beauftragter für die „Zivil-Militärische-Zusammenarbeit“ beim DRK und Oberst Wolfgang Paulik (rechts) unterschrieben bereits im Februar 2015 einen Vertrag zur zukünftigen Kooperation. (Quelle: ZentrZMZBw/Weiser)
DRK und DFG-VK
Der aktuelle Rechtsstreit zwischen dem DRK und uns aufgrund unserer vorherigen Aktionsseite würde den Gründern beider Organisationen nicht gefallen: Bertha von Suttner, die Gründerin unserer fast 125 Jahre alten „Deutschen Friedensgesellschaft“ war eng mit Henry Dunant, dem Gründer des „Internationalen Komitees vom Roten Kreuz“ verbunden. Dunant veröffentlichte 1897 mehrere Beiträge in Suttners Zeitschrift „Die Waffen nieder!“. Darin verglich er Militarismus mit ansteckenden Krankheiten wie Pest und Tollwut und stellte sich gegen die Legende vom Militär als Tugendschule. 1901 wurde Dunant auf Initiative Bertha von Suttners der erste Friedensnobelpreis verliehen.
Aber nicht nur aus dieser historischen Verbundenheit würden wir es begrüßen, wenn sich das „Deutsche Rote Kreuz“ wieder militär- und gewaltkritisch positionieren würde. Viele unserer Mitglieder sind zugleich auch (aktive) Mitglieder von Hilfsorganisationen – auch dem DRK. Die Menschen engagieren sich dort in der Erwartung und in dem Vertrauen, einer zivilen Organisation anzugehören und nichts zur Vorbereitung oder zur Förderung von Kriegen beizutragen. Die Einbindung in militärische Konzepte wie der „Zivil-Militärischen-Zusammenarbeit“ erschüttert dieses Vertrauen nachhaltig. Wir wollen nicht in einer Gesellschaft leben, in der das Zivile und das Militärische nicht mehr eindeutig voneinander getrennt sind, geschweige denn in einer Gesellschaft, in der das Militärische dominiert. Wir fordern daher eine klare Trennung zwischen Zivilem und Militärischen –gerade da das DRK als große Hilfsorganisation einen Vorbildcharakter hat.

Appell: Bleibt zivil!
Militär kann kein Partner einer zivilen Hilfsorganisation sein. Originäre Aufgabe des Militärs ist es immer noch, politische Ziele mit Waffengewalt zu erzwingen und dabei Menschen zu schaden. Wir, die „Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“, appellieren an das „Deutsche Rote Kreuz“, die Kooperation mit dem Militär sofort zu beenden. Ein erster Schritt wäre die Absage der Teilnahme am für Oktober 2016 geplanten nächsten „Joint Cooperation“-Manöver. Das Zivile muss zivil bleiben!
Allen, die überlegen sich an der aktuellen DRK-Spendenkampagne zu beteiligen, raten wir von Geldspenden ab, bis die Trennung zwischen DRK und Militär wieder vollzogen ist.

Weitere Informationen zur „DRK-Bundeswehr“-Kooperation:
Feininger, Peter: Auf leisen Sohlen – Zivil-Militärische Zusammenarbeit, in: Wissenschaft & Frieden 3/2009.
N.N.: Neutral und unparteilich – Deutsches Rotes Kreuz und Bundeswehr, in: German Foreign Policy, Februar 2015.
Wannie, Renate: Zivil-militärische Zusammenarbeit – Militarisierung auch im Inneren, in: Werkstatt für Gewaltfreie Aktion 2010 (PDF).